Yoga und Stress-Response

Was bedeutet Stress-Response-Mechanismus?

Im Körper, um genauer zu sein im limbischen System, dem ursprünglichen und primitiveren Teil des Gehirns, gibt es eine Art Notfall-Reaktion-Schaltzentrale. Sie dient der Sicherstellung des Überlebens bei physischer Gefahr, also wenn etwa ein Bär, Tiger oder etwas Ähnliches auftaucht und bereitet den Körper auf zwei grundsätzliche Überlebensstrategien vor: Kämpfen (fight) oder Fliehen (flight). 

Diese Notfall-Reaktion nennt man auch Fight-and-Flight-Reflex. Sie wird ausgelöst durch einen Hormoncocktail, der unser Blut überschwemmt. Dieser Hormoncocktail stellt zunächst einmal sicher, dass Deine Aufmerksamkeit stark auf die Außenwelt gelenkt und mehr Licht in Deine Augen gelassen wird - das ist sinnvoll, damit Du weisst, WO der Tiger gerade ist. Gleichzeitig werden Deine Muskeln mit Sauerstoff versorgt - falls Du kämpfen oder weglaufen muss. Blut wird abgezogen aus Deinen äußeren Gliedmaßen und stärker nach Innen gelenkt - damit Du nicht verblutest, falls der Tiger Dich doch verletzt. Die Muskelspannung erhöht sich, insbesondere die Bauchmuskeln werden angespannt - um Deine weiche Vorderseite mit den inneren Organen besser zu schützen. Der Puls wird beschleunigt - so wird eine schnelle Blut- und Nährstoffversorgung sichergestellt. Der Atem wird schneller, damit mehr Sauerstoff in die Muskeln geführt werden kann. Reparaturmechanismen des Körpers werden zurückgefahren - darum will Dein Körper sich lieber später kümmern, wenn die Gefahr vorbei ist. Sexuelle Funktionen und Verdauung werden reduziert - Sex und Verdauung sind ein Luxus, den Dein Körper sich im Beisein des Tigers nicht leisten möchte. Gute Laune und Spaß werden zurückgefahren - damit kann man sich später wieder beschäftigen. Und vieles mehr …  

Warum ist das ein Problem?

Dein Körper ist darauf programmiert, sich selbst zu heilen. Darin ist er richtig gut. Wenn Dein Körper notwendige Reparaturen vorübergehend einstellt, ist das grundsätzlich kein Problem. Das ist so vorgesehen. Ein Problem entsteht allerdings, wenn der Tiger nicht nur vorübergehend da ist, sondern Stress zu einem Dauerzustand wird. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich ein Tiger da ist, sondern es reicht, dass Dein Geist, sich gestresst fühlt.

Nicht nur, dass Deine Laune in den Keller geht, Du ständig angespannt bist, Dein sexuelles Interesse nachlässt und Du nicht richtig verdaust … der Körper wird schlicht krank, wenn er nicht reparieren kann.

Entspannung ist lebensnotwendig 

Untersuchungen beweisen, dass Entspannung und damit verbundene Reparatur lebensnotwendig ist. Du kennst das aus eigener Erfahrung bei etwas so simplem wie Schlaf: wenn Du nicht richtig schläfst, fühlst Du Dich krank und de facto ist dauerhafter Schlafentzug eine Foltertechnik mit Todesfolge.

Gleiches gilt für mildere Entspannungszustände. Auch tagsüber soll eigentlich repariert werden. Das kennst Du aus dem Urlaub, nach einer Massage oder nach der Sauna: wenn Du entspannt bist, bist Du normalerweise besser gelaunt, glücklicher, Du atmest ruhiger und fühlst Dich gesünder. Auch viele körperliche Beschwerden verbessern sich auf magische Weise im Urlaub.

Wie kann ich entspannen?

Zum Thema Entspannung gibt es unzählige Bücher. Oft haben diese allerdings einen körperlichen Fokus, auch nicht ganz zu Unrecht.

So kann Sport helfen, körperliche Spannung abbauen. Ausreichend Schlaf, eine heisse Badewanne, Massage oder andere Körperarbeit, eine Luftveränderung, Sonne, Sauna und warmes, nahrhaftes Essen in ruhiger Atmosphäre sind sicherlich alle sinnvoll.

Aber geistige Entspannung ist mindestens ebenso wichtig, wenn nicht wichtiger. Denn der Stress-Response wird stark vom Geist gesteuert. Dein Geist entscheidet, was für Dich ein Tiger ist und wann Du Dich wieder sicher fühlt. Damit steuert Dein Geist auch, wann und ob Dein Körper sich reparieren kann.

Du brauchst mehr Hügge

Die Dänen, bekanntlich in den meisten Untersuchungen das glücklichste Volk der Welt, zelebrieren die Entspannung. Sie haben eine eigene Kultur, einen eigenen Begriff, welche die geistige Entspannung und das Gefühl von Sicherheit umfasst: Hügge. Hügge gibt es als Substantiv, Adjektiv (hüggelig) oder Verb. 

Zu Hügge zählt alles, was Dich gut und sicher fühlen lässt, alles was Dich entspannt, wie 

• Yoga
• Kochen
• Natur
• Kaminfeuer
• Kunst
• (Mantra-)Meditation
• Badewanne
• Massage
• Spazieren
• Warm Essen
• Schlafen
• Kreative Tätigkeit
• Freunde treffen nach der Arbeit
• Sex
• Heiße Getränke
• Spirituelle Gemeinschaft
• Gärtnern
• Arbeit, die die Seele nährt
• Ruhe
• Wärmflaschen
• Schöne Musik
• Kleine Gruppe von Freunden (2-4 Personen)
• Treffen mit Freunden während der Arbeit
• Kuschelsocken
• Schal
• Schlaf / Entspannung
• Kuscheln
• Räucherstäbchen
• Lachen
• Kerzen
• bequeme Kleidung
• Lesen

Vielleicht gehören auf Deine Hügge-Liste noch andere Punkte, die Dir ein wohliges und sicheres Gefühl vermitteln.

Selbst Fernsehen entspannt, da es uns in eine leichte Trance versetzt. Allerdings bringt Fernsehen nicht die Qualität an Entspannung, die dem Stress-Response-Mechanismus wirklich etwas entgegenzusetzen hätte; abgesehen von der unglaublichen Anzahl an Gewaltszenen und erzeugten negativen Selbstbildern durch Werbung und Hollywood, reduziert der Lichteinfluss des TV die Melatoninausschüttung, die für einen tiefen Schlaf verantwortlich ist. Hunderte von Studien zeigten, dass eine Verbindung zwischen blauem Licht, besonders in den Stunden vor dem Zubettgehen, und ernsten Krankheiten besteht. Auch wenn jede Art von Licht die Melatoninproduktion unterdrückt, erfolgt dies bei blauem Licht mehr als dreimal so stark, wie bei einer herkömmlichen weißglühenden Glühbirne. LEDs, die heutzutage in den meisten energieeffizienten Glühbirnen verwendet werden, unterdrücken Melatonin sogar mehr als fünfmal so stark. Melatonin ist nicht nur für den Schlaf wichtig. Das Hormon leitet auch die Zellreparatur und eine Vielzahl von anderen lebensnotwendigen biologischen Prozessen ein.

Weitere Faktoren

Selbstverständlich gibt es auch andere Faktoren, die der Regeneration von Stress entgegenwirken. Gegen einen stressigen Job, den man hasst, schlechte Ernährung, Alkohol, Industriezucker und Zigaretten, Einsamkeit oder eine toxische Beziehung, Sorge um die Liebsten oder finanzielle Probleme sowie unterdrückte Kreativität, helfen keine Kuschelsocken (jedenfalls nur begrenzt).

Dies sind alles Stressoren bzw. Gifte, die der Gesundheit abträglich sind. Eine spirituelle und soziale Gemeinschaft, eine Arbeit, die die Seele nährt, eine Beziehung, die Kraft gibt, frische, nahrhafte, industriell wenig/unverarbeitete Nahrung, das Weglassen von Giften wie Zucker, Alkohol und Zigaretten, das Gefühl spiritueller Verbundenheit sowie kreativer Ausdruck hingegen, lassen die Seele und den Geist und damit auch den Körper entspannen und zur Ruhe kommen. Auch Hypnose kann helfen.

Es braucht oft Kraft, wahlweise die Notwendigkeit durch einen Burnout oder einen anderen schweren Schlag, um sich solchen anderen Faktoren und den Konsequenzen einer Änderung in diesen Bereichen ernsthaft zu stellen. Manchmal ist der richtige Zeitpunkt dafür noch nicht gekommen, manchmal findet er einen und man kann ihn nicht mehr aussuchen.

Yoga und Meditation

In jedem Falle helfen können auch Yoga und Meditation. Körperliches Yoga ist so weit gefächert, da ist für jedeN das Richtige dabei. Du möchtest Dich viel bewegen, weil Du Bewegungsmangel spürst, dann findest Du im Vinyasa-Yoga mit seinen fließenden Bewegungen sicher, was Du suchst. Du suchst eine ruhiger Yoga-Form? Von Yoga-Nidra (Yogischer Schlaf) über Yin-Yoga bis zu lange gehaltenen Asana bietet Hatha-Yoga genau das, was Du brauchst, um runterzukommen.

Die Konzentration auf die eigene ruhige Atmung, den Körper und die Bewegungen schulen die periphere Wahrnehmung, beruhigen den Atem, entspannen und kräftigen die Muskulatur und lassen den Geist zur Ruhe kommen. Savasana, die Endentspannung am Ende der Stunde, besorgt den Rest.

Bereits 5-20 Minuten Meditation, insbesondere mit Mantra-Rezitation (z.B. das Singen oder nur innere Wiederholen von Om), entspannen Geist und Körper. Dafür muss man nicht viel können oder wahnsinnig viel Erfahrung haben. Setze oder lege Dich einfach 5 Minuten hin, stelle Dir einen Timer und beobachte Deinen Atem oder scanne mental Deinen Körper. Mach es einfach, Deiner Gesundheit zu Liebe. Wenn Du Dich dafür hinlegst, schläfst Du vielleicht ein - dann warst Du wohl müde.

Und für diejenigen, die noch tiefer einsteigen, spannen die philosophischen Geschichten und Aspekte des Yoga, insbesondere des Advaita Vedanta, den Bogen zu mehr Verbundenheit mit der Welt und allen Wesen.

Yoga, Mantra und Meditation sind potente Tools zur Entspannung und zum körperlichen und geistigen Ausgleich.
Yogis und Yoginis berichten von teilweise gravierenden gesundheitlichen Verbesserungen, wohl nicht zuletzt wegen der Entspannung, die Yoga mit sich bringt.

Buch-, Hör- und Filmtips zum Thema:

• Dr. Med Lissa Rankin - Mind over Medicine
• Barbara Kündig - Yoga Nidra (Die Perle der Tiefenentspannung mit CD)
• Film: What the health
• Film - Supersize me

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